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Ein Auftraggeber darf sich irren

 

Bauaufträge werden stets auf Basis von standardisierten Leistungsbildern erstellt. Damit sollten (eigentlich) Irrtümer über die Leistung und das zugehörige Entgelt nicht vorkommen.

Eine öffentliche Auftraggeberin hat Bauarbeiten, genauer gesagt Elektroinstallationsarbeiten, im Wege eines offenen Vergabeverfahrens ausgeschrieben. Die Ausschreibung erfolgte auf Basis der standardisierten Leistungsbeschreibung für Haustechnik (LB-HT). Im Leistungsverzeichnis war eine Zusatzposition für das „Vorhalten“ von Beleuchtung eingefügt worden. Die Abrechnung sollte nach Verrechnungseinheit erfolgen. In den Vorbemerkungen zu dieser Position befand sich die stimmige und standardisierte Erklärung, dass bei Vorhaltepositionen in Verrechnungseinheiten abzurechnen ist, wobei sich die Verrechnungseinheit aus der Anzahl der Wochen ermittelt. Einziges Manko war, dass im Leistungsverzeichnis nur „1,00 VE“ als Menge angegeben war. Die Bieterin hat daraufhin ein Angebot gelegt und den Preis für eine Verrechnungseinheit angegeben. Sie ist auch davon ausgegangen, dass eben abhängig von der Bauzeit die Verrechnung nach Wochen erfolgen wird. Das Angebot wurde geprüft, wobei der Angebotsprüfer ausdrücklich auch den Preis der Verrechnungseinheit für das Vorhalten der Beleuchtung als angemessenen beurteilt hat.

Das Unternehmen wurde sodann beauftragt und hat bereits in der zweiten Teilrechnung das Vorhalten der Beleuchtung über mehrere Wochen (Verrechnungseinheiten) angesetzt. Die Rechnungsprüferin hat dies zunächst zugelassen und im Laufe der folgenden Teilrechnungen bis auf eine Verrechnungseinheit wieder gekürzt. Als Begründung wurde angeführt, dass die Auftraggeberin tatsächlich eine Pauschale für die gesamte Bauzeit gewünscht hätte und eben nicht eine Abrechnung nach Verrechnungseinheiten bzw Wochen. Die Auftragnehmerin hat dann mit der Schlussrechnung die gesamte Vorhaltedauer von 43 Wochen (Verrechnungseinheiten) wieder aufgerollt und musste diese Forderung gerichtlich geltend machen. Aus sachverständiger Sicht wurde nachgewiesen, dass gemäß ÖNORM A 2063 zwischen den Mengeneinheiten „VE“ (Verrechnungseinheit) und „PA“ (Pauschale) strikt zu unterscheiden ist. Wer ein Pauschale wünscht, hat dieses mit „PA“ zu verrechnen.

Das Erstgericht hat nun nach drei Jahren überraschend entschieden, dass die Auftraggeberin im Recht sei, weil sie ein Pauschale über die gesamte Bauzeit wollte. Es sei zwar „irreführend“, wenn im Leistungsverzeichnis von Verrechnungseinheiten und Wochen die Rede war, aber jene Personen, die das Leistungsverzeichnis erstellt haben, hätten glaubwürdig nur ein Pauschale ausschreiben wollen. Obendrein wurde angenommen, dass die fachkundige Auftragnehmerin die ausgeschriebene Verrechnungseinheit als Pauschale erkennen hätte müssen; dies ohne nachvollziehbare Begründung. Sollte sich ein derartiger Rechtsspruch behaupten, wäre den standardisierten Leistungsbildern und der ÖNORM A 2063 jeglicher Boden entzogen. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Urteilsspruch durch das Berufungsgericht behoben wird.

 
Sandro Huber