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Rücktritt vom Architektenvertrag

 

Monatsbrief Initiative Baukunst 06/2020

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in einem Vorabentscheidungsverfahren (EuGH 14.05.2020, Rs C-208/19) mit der Frage befasst, ob ein Verbraucher (= „Nicht-Unternehmer“) von einem Planungsauftrag wieder zurücktreten kann, wenn der Vertragsabschluss außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten des Architekten erfolgt ist und er über die Rücktrittsmodalitäten nicht informiert wurde.

Der Ausgangsfall, der zur Vorlagefrage an den EuGH geführt hat, war beim Landesgericht für Zivilrechtssachen in Graz anhängig. Dort musste eine Architektin ihre offenen Honoraransprüche gerichtlich geltend machen. Die Architektin wurde mit der Planung eines Einfamilienhauses beauftragt. Zur Beauftragung kam es bei einer Besprechung im Kaffeehaus (außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten der Architektin), nach einem gemeinsamen Besichtigungstermin am Grundstück der Bauherren. Die Architektin erbrachte die gewünschten Planungsleistungen sowie eine grobe Zusammenstellung der geschätzten Baukosten und legte hierüber ihre Honorarnote. Die Bauherren verweigerten die Bezahlung und stützten sich dabei auf ein Widerrufsrecht gemäß dem Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG).

Das FAGG wurde im Jahr 2014 zur Umsetzung der europäischen Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU geschaffen und soll Verbraucher schützen, wenn sie außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten Verträge mit einem Unternehmer schließen (Verhinderung der „Überrumpelung“). Kommt es zu einem solchen Vertragsabschluss außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten des Unternehmers, gelten erhöhte Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher. Wesentlich ist die Belehrung über das 14-tägige Rücktrittsrecht vom Vertrag. Vergisst der Unternehmer diese Belehrung verlängert sich die Rücktrittsfrist um weitere zwölf Monate. Ein privater Bauherr kann in diesem Fall zwölf Monate plus 14 Tage nach Auftragserteilung noch ungestraft vom Vertrag zurücktreten.

Im Zuge des Gerichtsverfahrens stützte sich die Architektin zunächst darauf, dass Verträge „über den Bau von neuen Gebäuden“ vom Geltungsbereich des strengen Verbraucherschutzgesetzes ausgenommen sind (§ 1 Abs 2 Z 7 FAGG). Der EuGH legt diese Bestimmung allerdings sehr eng aus und kommt zum Ergebnis, dass diese Ausnahme ausschließlich für die Errichtung eines neuen Gebäudes Anwendung findet. Da die Architektin die Planung und nicht die Errichtung des Einfamilienhauses geschuldet habe, geht ihr Einwand ins Leere. Ein Architektenvertrag über die Planung eines neuen Einfamilienhauses unterliegt somit den strengen Verbraucherbestimmungen des FAGG.  

Das FAGG sieht weiters eine Ausnahme vom Rücktrittsrecht bei Verträgen über „Waren, die nach Kundenspezifikationen angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind“ vor (§ 18 Abs 1 Z 3 FAGG). Die Architektin argumentierte also, dass die Planung individuell auf die Wünsche der Verbraucher angefertigt worden sei. Aus diesem Grund könne nach erbrachter Leistung kein Rücktrittsrecht mehr ausgeübt werden. Dieser Argumentation folgte der EuGH ebenso nicht. Bei Architektenleistungen handle es sich nicht um die Lieferung von „Waren“ sondern um eine Dienstleistung. Beginnt der Unternehmer mit der Erbringung seiner Dienstleistung vor Ablauf der Rücktrittsfrist, hat er den Verbraucher hierüber nicht nur unmissverständlich aufmerksam zu machen, er hat vom Verbraucher sogar die ausdrückliche Zustimmung zur vorzeitigen Vertragserfüllung einzuholen; was nicht geschehen ist.

Da der Architektenvertrag nicht in den Büroräumlichkeiten der Architektin geschlossen wurde, hätten die privaten Bauherrn über ihr 14-tägiges Rücktrittsrecht unmissverständlich aufgeklärt werden müssen. Das Gesetz sieht vor, dass dem Verbraucher sogleich ein Muster-Widerrufsformular zur Verfügung zu stellen ist. Erst dann kann der Unternehmer sicher sein, dass nach Ablauf der 14 Tage der Vertrag nicht mehr straflos widerrufen werden kann. Wünscht der private Bauherr, dass mit den Planungsleistungen unverzüglich (vor Ablauf der 14 Tage) begonnen wird, muss er dem vorzeitigen Leistungsbeginn ausdrücklich zustimmen.

Für die Praxis: Architektenverträge mit privaten Bauherren sollten stets in den Büroräumlichkeiten des Architekten geschlossen werden. Wenn dies nicht der Fall ist, müssen folgende „Formulare“ vorbereitet und von den Bauherren unterfertigt werden:

  • Belehrung über das 14-tägige Rücktrittsrecht des Verbrauchers;

  • Muster-Widerrufsformular zur Ausübung des Rücktrittsrechts;

  • Zustimmungserklärung zum Leistungsbeginn vor Ablauf der Rücktrittsfrist.

 
Brigitte Berchtold