Vertragliche Fertigstellungstermine sind in Gefahr!
Der Umgang mit vertraglichen Fertigstellungsterminen stellt derzeit das größte Problemfeld dar. Der Einzugstermin der Wohnungskäufer, die vorangehende Fertigstellung des Bauwerkes oder der vereinbarte Gewerketerminplan ist nunmehr ins Wanken geraten. Die damit einhergehenden Haftungsfragen sollten möglichst schon jetzt überblickt und eingegrenzt werden. Ansonsten gefährdet der unweigerliche wirtschaftliche Schaden die unternehmerische Existenz.
Es gilt der Grundsatz, wenn der Auftragnehmer in Schuldnerverzug gerät, kann der Auftraggeber unter Nachfristsetzung vom Vertrag zurücktreten. Der Auftraggeber kann vom Zurückbehaltungsrecht von Zahlungen an den säumigen Auftragnehmer Gebrauch machen. Aufgrund der aktuellen Ereignisse wird dem Auftragnehmer ein Verschulden am Leistungsverzug aber nicht vorwerfbar sein. Durchaus unverschuldet muss derzeit damit gerechnet werden, dass Baumaterial nicht rechtzeitig beschafft werden kann, Arbeitskräfte fernbleiben oder auch Vorgewerke deswegen säumig sind. Ohne vorwerfbares Verschulden besteht zumindest keine gesetzliche Schadenersatzpflicht gegenüber dem Auftraggeber.
Vorsorglich kann auf die Haftungsbefreiung wegen „höherer Gewalt“ verwiesen werden. Eine Legaldefinition hierzu fehlt zwar, aber gemäß der Rechtsprechung ist höhere Gewalt ein von außen einwirkendes, elementares Ereignis, das auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt nicht zu verhindern war und so außergewöhnlich ist, dass es nicht als typische Betriebsgefahr anzusehen ist. Aus gesetzlicher Sicht wird den Schaden daher letztlich der Auftraggeber (Bauherr bzw Käufer) tragen müssen.
In vielen (Bau-)Verträgen ist aber eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe oder Ähnliches vorgesehen. Diese bislang nahezu unbeachteten – weil unter normalen Umständen beherrschbaren – Bestimmungen können nun schlagend werden. In den überwiegenden Fällen sind derartige Bestimmungen auch mit einem Ausschluss des richterlichen Mäßigungsrechts verbunden.
Ungeachtet dessen, ob die gesetzlichen Bestimmungen Anwendung finden oder abweichende vertragliche Vereinbarungen gelten, empfehlen wir, Liefer- und Bauzeitverzüge umgehend dem Auftraggeber zu melden. Falsche Bescheidenheit des Auftragnehmers ist daher fehl am Platz. Wenn hohe verschuldensunabhängige Vertragsstrafen vereinbart sind, kann unter Umständen im Nachhinein das (auch vertraglich ausgeschlossene) richterliche Mäßigungsrecht geltend gemacht werden. Damit kann das unvorhersehbare Haftungsrisiko sogar auf null reduziert werden. Eine unterlassene Verzugsmeldung wird am Ende weitaus größere Probleme aufwerfen.