Kurzarbeit: Was passiert, wenn die Aufträge nicht ausbleiben?
Mit den ersten COVID-19-Maßnahmen herrschte in allen Branchen die Unsicherheit, ob nun Aufträge ausbleiben bzw zwischenzeitig kein Geld mehr verdient werden kann und wegen der Lohnfortzahlungen eine Insolvenz droht. Viele Unternehmer haben daraufhin entweder Kündigungen ausgesprochen oder unmittelbar das Kurzarbeitsmodell in Anspruch genommen.
Zumindest die Bauwirtschaft ist fast wieder zur Normalität zurückgekehrt. Die Baustellen sind größtenteils wieder in Betrieb und die Sorge ausbleibender Aufträge hat sich vielerorts als unbegründet herausgestellt. Diese erfreuliche Entwicklung hat zur Konsequenz, dass nun viele Arbeitnehmer zur Kurzarbeit angemeldet sind, aber die prognostizierte Fehlzeit (bis zu -90%) nicht mehr eintreten wird. Was wenn nun die Förderung für Kurzarbeit bezahlt wird und die Arbeitnehmer (erfreulicherweise) mehr Arbeitszeit als veranschlagt erbringen: Kann der Arbeitgeber daraus einen Gewinn ziehen? Nein. Verschiedene Kontrollbehörden sind derzeit bereits mit der Suche nach unrechtmäßigen Beziehern beschäftigt (zB Finanzpolizei).
Problemfall Arbeitszeitaufzeichnungen
Jeder Arbeitgeber ist verpflichtet, Aufzeichnungen über die Arbeitszeiten zu führen (§ 26 AZG; gleichlautend EuGH 14.05.2019, Rs C-55/18 – Deutsche Bank: „tägliche Aufzeichnungspflicht“). Diese Pflicht kann zwar einem Arbeitnehmer übertragen werden, wobei dies der Arbeitgeber dennoch wieder überprüfen muss. Bei einer rechtskonformen Aufzeichnung der Arbeitszeiten wird im Falle einer Nachkontrolle rasch Klarheit erzielt, ob die Kurzarbeit eingehalten wurde oder nicht. Wer die Aufzeichnungen so abändert, dass die angemeldete Kurzarbeit dargestellt werden kann, erfüllt den Tatbestand der Urkundenfälschung (§ 233 StGB). Die Strafdrohung liegt dabei bei bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen.
Problemfall Förderungsmissbrauch
Hinzu kommt, dass der unrechtmäßige Bezug des staatlichen Zuschusses für die Kurzarbeit den Tatbestand des Förderungsmissbrauchs (§ 153b StGB) erfüllt. In diesem Zusammenhang ist besonders bedeutend, dass auch ein leitender Angestellter einer Gesellschaft hierfür in die Verantwortung gezogen werden kann. Wer also den Förderungsantrag unterfertigt hat, sollte die Einhaltung der Förderrichtlinien auch überprüfen. Die angedrohten Strafen sind abhängig von der missbräuchlich in Anspruch genommenen Förderung. Bei über EUR 5.000 missbräuchlicher Inanspruchnahme steht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren an, über EUR 300.000 eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahre; Geldstrafen sind hierfür gar nicht mehr vorgesehen.
Problemfall Vergaberecht
Gemäß § 78 Abs 1 Z 1 BVergG muss der Auftraggeber einen Unternehmer vom Vergabeverfahren ausschließen, wenn dieser rechtskräftig wegen einem der im Gesetz aufgezählten Tatbestände verurteilt ist. Der Förderungsmissbrauch (§ 153b StGB) ist ein derartiger Tatbestand. Für Gesellschaften gilt dabei, dass eine wegen Förderungsmissbrauch verurteilte natürliche Person im Unternehmen weder Entscheidungs- noch Kontrollbefugnisse ausüben darf. Insofern sind nicht nur verurteilte Geschäftsführer oder Prokuristen problematisch. Aus praktischer Sicht führt nicht jede Vermutung zu einer Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden und nicht jede Ermittlungstätigkeit auch zur Einleitung eines Strafverfahrens oder gar zur rechtskräftigen Verurteilung. Dennoch scheuen sich die Auftraggeber nicht davor – zumeist „unliebsame“ Unternehmer – schon bei (bloßem) Verdacht einer strafbaren Handlung auszuschließen. Dies ist grundsätzlich – bei einem „hinreichendem Verdacht“ – gemäß § 78 Abs 1 Z 5 BVergG zulässig. Wenn dann auch noch die gesetzlich vage definierten Selbstreinigungsmaßnahmen vom Auftraggeber nicht anerkannt werden, muss eine dreijährige vergaberechtliche „Tilgungsfrist“ (§ 83 Abs 5 Z 2 BVergG) abgewartet werden, bis endlich wieder die Chance auf Erlangung eines öffentlichen Auftrags besteht.
Im Ergebnis ist vom verlockenden Gewinn durch Inanspruchnahme der Kurzarbeitsförderung und gleichzeitiger guter Arbeitsauslastung abzuraten. Neben den strafrechtlichen Konsequenzen ist auch die Gefahr einer zusätzlichen Bestrafung durch das Vergaberecht zu berücksichtigen. Der schnelle Gewinn kann in den nächsten Jahren daher zum wirtschaftlich desaströsen Boomerang werden.