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Zusammenrechnungsgebot bei Planungsleistungen – Ja, nein, vielleicht?

 

derPlan 09/2014, Seite 12 - ArchIng

Mit dem Urteil des EuGH im Jahr 2012 hat sich die Beschaffungspraxis für Dienstleistungen – insbesondere jene für Planungsleistungen – wesentlich verändert (EuGH 15.3.2012, Rs C-574/10 – Autalhalle). Zuvor war es gängige Praxis, Planungsleistungen entsprechend den Teilleistungen der Honorarordnungen oder zumindest anhand der unterschiedlichen Fachgebiete / Befugnisse zu splitten. Mit der Grundsatzentscheidung des EuGH hat diese Vorgehensweise zum Leidwesen der Architektenschaft (bzw aller Konsulenten im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben) ein jähes Ende gefunden.

Wiederholend ist festzuhalten, dass seit dieser Entscheidung des EuGH nahezu sämtliche Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem (Bau-)Vorhaben einen "gemeinsamen" Auftragswert bilden und dieser als Maßstab für die Wahl des Vergabeverfahrens heranzuziehen ist. Damit sind die in kleinen "Häppchen" beauftragten Planungs- und Konsulentenleistungen nunmehr fast immer im Wege eines Vergabeverfahrens mit Bekanntmachung zu vergeben. Einziger Ausweg für eine derartig überbordende Vorgehensweise sind die Losregeln gemäß
§ 16 Abs 5 und Abs 6 BVergG. Dabei ist im Besonderen die "Kleinlos-Regel" hervorzuheben. Mit dieser Variante ist es möglich, einen Planungsauftrag im Oberschwellenbereich in einzelne Lose zu splitten. Dabei können Lose mit einem Auftragswert unter EUR 80.000,00 (§ 16 Abs 5 BVergG) nach den weniger strengen Bestimmungen des BVergG für Unterschwellenaufträge vergeben werden, sofern wiederum deren kumulierter Aurtragswert nicht mehr als 20 Prozent aller Lose beträgt. Im Ergebnis könnte dabei auch eine Direktvergabe in Betracht gezogen werden.

Abseits der aufgezählten gesetzlichen Möglichkeiten haben sich die unterschiedlichen Vergabekontrollbehörden mit Sachverhalten zum sogenannten Zusammenrechnungsgebot auseinandergesetzt und ihre eigenen Ausprägungen dazu entwickelt. Diese schießen teils über das Ziel des EuGH hinaus oder finden völlig neue Ansätze, um ein "Auftragssplitting" weiterhin zu ermöglichen.

Die strenge Ansicht des VwGH

Im Zuge eines Schulneubaus sind die Planungsteilleistungen Vorentwurf, Entwurf und Einreichung in einem Paket mit einem Auftragswert von EUR 97.000,00 exklusive USt im Wege einer Direktvergabe vergeben worden. Der Auftragswert aller Planungsleistungen (somit inkl Ausführungsplanung, technischer und geschäftlicher Oberleitung etc) hat EUR 355.200,00 exklusive USt betragen.
Wie nicht anders zu erwarten, hat der VKS Salzburg darin eine Verletzung des Zusammenrechnungsgebotes erkannt. In der Folge hat sich der VwGH mit der dagegen gerichteten Bescheidbeschwerde beschäftigt. Vorab ist festzuhalten, dass der VwGH die Entscheidung des VKS Salzburg teilt; interessant ist jedoch eine weitere Überlegung in seiner Begründung. Während der EuGH in seiner Grundsatzentscheidung zum Zusammenrechnungsgebot eine klare Trennlinie zwischen Planungsleistungen und nachfolgenden Bauleistungen erkannt hat (EuGH 15.3.2012, Rs C-574/10 – Autalhalle, Rn 50), sieht der VwGH in der gegenständlcihen Entscheidung das Zusammenrechnungsgebot umfassender. Ganz im Stile eines Totalunternehmerverfahrens versteht der VwGH die Planungsdienstleistungen als bloßen Teil des Gesamtbauvorhabens bzw als Teil der Bauleistungen. Möchte man nunmehr die Planungsleistungen für sich betrachten (vergeben), müssten diese als Planungslos aus der Bauleistung "herausgeschält" werden.

Splitting von Bauaufträgen zulässig?

In der jüngsten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien (VwG Wien 5.6.2014,
VGW-123/077/23937/2014, VGW-123/077/23976/2014, VGW-123/077/23977/2014) hat dieses im Zusammenhang mit einem Bauauftragssplitting für einzelne Renovierungsarbeiten Folgendes festgestellt:

Ausgangslage ist die Vergabe einzelner Instandsetzungsarbeiten innerhalb verschiedener Wohnhausanlagen. In Summe handelt es sich dabei um gleichartige, sich wiederholende Bauleistungen. Üblicherweise werden derartige Bauleistungen im Wege einer Rahmenvereinbarung oder eines Rahmenvertrages vergeben. Diese Vorgehensweise würde sodann einen kumulierten Auftragswert aller Einzelbauleistungen ergeben und hätte im gegenständlichen Fall zu einem Vergabeverfahren mit vorheriger (allfälliger EU-weiter) Bekanntmachung führen müssen. Das Verwaltungsgericht Wien kommt zwar in seiner Entscheidung zu ebendieser Möglichkeit, eröffnet aber nebenher einen weiteren "innovativen" Weg.

Zunächst ist festzuhalten, dass für Bauaufträge eine gesetzliche Regelung fehlt, welche eine Zusammenrechnung von regelmäßig wiederkehrenden, gleichartigen Bauaufträgen vorschreibt. Erläuternd wird dazu auf Artikel 9 der Richtlinie 2004/18/EG verwiesen. In der Folge wäre eine Zusammenrechnung bloß dann vergaberechtlich geboten, wenn es sich um ein einheitliches Bauvorhaben handelt. Daher ist die Frage zu klären, ob ein Bauvorhaben mehrere Bauwerke umfassen kann und daher begrifflich weit gesteckt ist. In der Begründung bezieht sich das Verwaltungsgericht Wien auf die deutsche Literatur- und Judikaturmeinung und stellt dabei die Legaldefinition des Bauwerkes gemäß § 2 Z 11 BVergG als wesentlichen Aspekt eines Bauvorhabens in den Vordergrund ("Bauwerk ist das Ergebnis einer Gesamtheit von Tief- und Hochbauarbeiten, das seinem Wesen nach eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll"). Dies führt dazu, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien keine Verpflichtung besteht, mehrere Renovierungs-/ Instandsetzungsarbeiten in unterschiedlichen Wohnhausanlagen zusammenzurechnen und gar gemeinsam zu vergeben. Eine Vielzahl von Direktvergaben ist daher für zulässig erachtet worden.

Planung ist nicht Bauleistung!

Wie nicht anders zu erwarten, sind mit der Grundsatzentscheidung des EuGH und der bislang nachfolgenden, darauf aufbauenden Entscheidungen bloß weitere Fragen aufgeworfen worden. Während Planungsaufträge unter strengen Gesichtspunkten gar dem Gesamtbauvorhaben, sprich dem Bauauftrag, zugeordnet werden können, erscheint es umgekehrt denkbar, einzelne (gleichartige bzw wiederkehrende) Bauleisungen getrennt voneinander zu betrachten und im Wege mehrerer Direktvergaben häppchenweise zu verteilen.

Den derzeitigen Entwicklungen bei der Berechnung des geschätzten Auftragswertes (Zusammenrechnungsgebot) kann verständlicherweise wenig abgewonnen werden. Um einer Unterordnung von Planungsleistungen gegenüber den Bauleistungen entgegenzuwirken, ist es daher bloß zweckmäßig, die Planungsleistungen als eigenständiges und dem Bauvorhaben zwingend vorgelagertes Produkt in den Fokus der Bauherren zu rücken.

 
Sandro Huber