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Problemfall: Auftragnehmerwechsel im laufenden Projekt

 

Monatsbrief Initiative Baukunst 11/2020 - Initiative Baukunst / Newsletter

Aufgrund der aktuell angespannten Wirtschaftslage stellen Vertragsrücktritte oder gar Insolvenzen keine Ausnahmefälle mehr dar. Immer öfter gehen Auftragnehmer auf diese Weise „verloren“. In solchen Fällen muss während der Projektumsetzung ein neuer Auftragnehmer eingesetzt und sozusagen das Pferd im Galopp gewechselt werden, was selten verletzungsfrei von statten geht. In der Praxis ist ein Auftragnehmerwechsel meist nur für den Bauherrn und dessen Bauaufsicht risikoreich. Für alle anderen Projektbeteiligten – zumeist alle Bauausführenden – realisiert sich damit eine gut begründbare Mehrkostenforderung, allem voran die Bauzeitverzögerung.

Die Komplexität des Auftragnehmerwechsels tritt dann in Erscheinung, wenn der Bauherr vom ursprünglichen (verlorenen) Bauunternehmer auf restlichen Werklohn geklagt wird. Die unvollständigen Arbeiten müssen dem Gericht (bzw den Gerichtssachverständigen) präsentiert werden. Selbiges gilt, wenn auch der Nachunternehmer mangelhaft geleistet hat und der Bauherr klagen möchte. Die Hauptlast für beschriebenen Problemfälle trägt zweifelsfrei die mit der Abrechnung beauftragte Bauaufsicht.

Im ersten Schritt müssen die teilweise erbrachten Arbeiten gut dokumentiert werden, sodass im Nachhinein der Leistungsstand bewiesen werden kann. Üblicherweise wird der Bauherr an den vertragsuntreuen (oder insolventen) Auftragnehmer keinerlei Zahlungen mehr leisten. Nicht selten folgen sodann Gerichtsverfahren, weil der ursprüngliche Auftragnehmer oder auch der Masseverwalter verrechnete Leistungen gerichtlich durchsetzen will. Für die Bauaufsicht stellt sich dabei die Frage, ob es sich bei der eigenen Leistung um echte Zusatzleistungen handelt. Die Leistungskontrolle vor Ort wird sich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung bewegen, weswegen dies schon mit dem ursprünglichen Honorar abgegolten ist. Insofern wird die Abrechnungskontrolle des verlorenen Auftragnehmers keinen begründbaren Zusatzaufwand darstellen. Natürlich kann im Einzelfall der Aufwand auch über das vertragliche Maß hinausgehen. Dies muss allerdings gut begründet werden. Anders verhält es sich mit der Dokumentation der teilweise erbrachten Arbeiten zur Festlegung der Schnittstelle zwischen alten und neuem Auftragnehmer. Es kann der Bauaufsicht nicht unterstellt werden, dass eine solche Situation –  der Wechsel des Auftragnehmers – ein üblicherweise kalkulierbares Preisrisiko darstellt (auch nicht in wirtschaftlich angespannten Zeiten). Sollte ein Bauherr die Mehrkostenforderung der Bauaufsicht dennoch ablehnen, kann nachgelegt werden, dass die Auswahl (die Beauftragung) des verlorenen Auftragnehmers durch den Bauherrn erfolgte und damit das Risiko in dessen Sphäre liegt. Wer aber die Gefahr einer solchen Dokumentation auch gegen Entgelt nicht tragen möchte, sollte dem Bauherrn eine gerichtliche Beweissicherung empfehlen (§ 384 ZPO). Damit kann auf Antrag des Bauherrn der aktuelle Bauzustand endgültig (gerichtlich) und im Übrigen auch sehr rasch erhoben werden. Es wäre auch die beste Wahl für ein Beweismittel in einer Werklohnklage des „abhandengekommenen“ Auftragnehmers, der meist noch offene Rechnungen hat. 

Im zweiten Schritt müssen ersichtliche Mängel in den Teilleistungen dokumentiert und dem Nachunternehmer bekanntgegeben werden. Wer hierauf vergisst, kann sich im Zuge der Gewährleistungsabwicklung rasch zwischen Schuldzuweisung und komplexen Haftungsfragen wiederfinden. Gemäß § 1168a ABGB trägt der Bauherr das Risiko für den „beigestellten Stoff“, womit natürlich auch die teilweise erledigten Vorarbeiten gemeint sind, auf welche der Nachunternehmer aufsetzt. Aus rechtlicher Sicht liegt nun das Problem darin, dass der Nachunternehmer die Vorarbeiten nicht detailliert prüfen muss, wenn diese von einem Fachmann zuvor erbracht wurden (OGH 29.08.2019, 6 Ob 67/19z). Der Nachunternehmer darf auf die fachmännische Ausführung seines Vorgängers vertrauen und hat nur bei offenbaren Mängeln eine Warn- und Hinweispflicht. Wie streng die Prüfpflicht für den Nachunternehmer ist, bleibt eine Frage des Einzelfalls und wurde seitens der Gerichte auch teils unterschiedlich behandelt (RIS-Justiz RS0021966). Im Ergebnis sollte die Bauaufsicht diese Übergabe der teilweise fertiggestellten Arbeiten an den Nachunternehmer durchführen (als Zusatzauftrag) und zuvor allfällige Mängel im halbfertigen Werk erheben. Auch dabei empfiehlt es sich, bei komplexeren Teilleistungen, eine gerichtliche Beweissicherung vorzunehmen.

Im Ergebnis ist der Wechsel eines Auftragnehmers für die mit der Abrechnung betraute Bauaufsicht eine echte Herausforderung. Leicht können in der Eile die aufwendigen Dokumentationen übersehen werden.

 
Brigitte Berchtold