Was ändert sich für die ÖBA durch COVID-19?
Die örtliche Bauaufsicht hat keine gesetzlich zugewiesenen Aufgaben. Die vertraglichen Pflichten leiten sich zumeist aus den gängigen Leistungsbildern der HOA (§ 4 HOA-A) bzw der Leistungsmodelle Objektplanung Architektur (LPH 8 der LM.OA) ab. Dazu zählen die Vertretung des Bauherrn auf der Baustelle, die Ausübung des Hausrechts und die Überwachung der Bauausführung.
Die Vertretung des Bauherrn auf der Baustelle und die Überwachung der Bauausführung kann derzeit bereits zu einem Konflikt mit einem der vielen COVID-19-Gesetze oder der dazu ergangenen Verordnungen führen. Grundsätzlich ist zu beachten, dass auf der Baustelle („Ort der beruflichen Tätigkeit“) ein Mindestabstand von einem Meter zwischen Personen einzuhalten ist (BGBl II Nr 98/2020). Dort wo dies nicht möglich ist, kann der Mindestabstand mit „entsprechenden Schutzmaßnahmen“ unterschritten werden (BGBl II Nr 107/2020). Gemeint sind damit Atemschutzmasken der Schutzklassen FFP1 und FFP2. Letztere sind derzeit Mangelware und sollten deswegen dem medizinischen Personal vorbehalten sein. Trotz allem hat sich auch die vor Ort tätige ÖBA verpflichtend mit geeigneten Atemschutzmasken auszurüsten.
Ausübung des Hausrechts: Sind keuchende, hustende oder niesende Arbeiter von der Baustelle zu verweisen?
COVID-19 ist eine anzeigepflichtige Krankheit (§ 1 Abs 1 Z 1 Epidemiegesetz). Bereits ein Verdachtsfall ist der Bezirksverwaltungsbehörde binnen 24 Stunden anzuzeigen (mit Namen und Wohnort). Von der Anzeigepflicht sind lediglich wenige – zumeist medizinisch geschulte – Personen erfasst, wie zB Ärzte, Labors und Pflegekräfte (§ 3 Epidemiegesetz). Die Anzeigepflicht gilt daher nicht für Jedermann und deswegen auch nicht für die ÖBA. Anderenfalls würde die aufkommende Polenallergie und jeder öffentliche Nieser eine Anzeigeflut auslösen.
Dennoch wäre es sinnvoll, mit dem Bauherrn eine detaillierte Dokumentation der beschäftigten Personen zu vereinbaren (als Zusatzauftrag). Es erscheint im Krankheitsfall sinnvoll, tägliche Aufzeichnungen über zusammenarbeitende Personen zu führen. Im Fall der Fälle können somit mögliche Infektionsverläufe den zuständigen Behörden offengelegt werden.
Überwachung der Bauausführung: Muss die Schutzausrüstungen geprüft werden?
Grundsätzlich gilt, dass Schutzmaßnahmen im SiGe-Plan des Baustellenkoordinators beschrieben sein müssen. Dazu zählen auch die aktuell geforderten Atemschutzmasken (persönliche Schutzausrüstung). Der Baustellenkoordinator, der den SiGe-Plan erstellt, hat aber keinerlei Weisungsrechte gegenüber den Arbeitern auf der Baustelle. Gemäß der Verordnung „Persönliche Schutzausrüstung“ (BGBl II Nr 77/2014) ist der Arbeitgeber verpflichtet, derartige persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen und seine Arbeitnehmer vor der Verwendung zu unterweisen. Es ist daher nicht die vorrangige Pflicht der ÖBA, die Schutzausrüstung detailliert zu prüfen.
Letztlich steht aber der Bauherr an der Spitze der Haftungspyramide, was bei Baustellenunfällen schlagend werden kann. Eine COVID-19-Erkrankung ist zwar nicht mit einem Unfall gleichzusetzen, aber angesichts der nunmehr stetig ändernden Rechtslage sollte jegliche Vorsichtsmaßnahme ergriffen werden. Deshalb ist es naheliegend, dass die ÖBA (als Bauherrnvertretung) dennoch eine vereinzelte Überwachung der nunmehr aufwendigeren persönlichen Schutzausrüstung vor Ort wahrnehmen sollte. Dabei handelt es sich zweifelsohne um eine Zusatzleistung, die aufgrund der Aktualität im ursprünglichen Auftrag nicht enthalten sein kann.
Gemäß der Handlungsanleitung der Sozialpartner für den Umgang mit Baustellen aufgrund COVID-19 sind für Bauarbeiten bei Unterschreitung des Mindestabstandes (1m) folgende Maßnahmen vorgesehen:
Arbeiten im Freien: Atemschutz oder Vollvisier (von Stirn bis Kinn);
Arbeiten in geschlossenen Räumen: Atemschutzmasken (Schutzklasse FFP1 sofern erhältlich);
Arbeiten in geschlossenen Räumen mit beengten Verhältnissen: Atemschutzmasken Schutzklasse FFP2 (oder besser).
Es wäre sinnvoll, wenn diese eigentlich unverbindlichen Vorgaben in die maßgebliche Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) übergeführt werden; diese wurde bislang nicht novelliert. Denn damit wäre ein Zuwiderhandeln der Arbeitgeber unter Strafe gestellt.