Lockerung der Insolvenzantragspflicht des Schuldners
Die COVID-19-Pandemie geht kaum an einem Unternehmen spurlos vorüber. Durch die restriktiven Maßnahmen der Regierung zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (zahlreiche COVID-19-Maßnahmengesetze und zugehörige Verordnungen) kommen unzählige Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage.
Um eine künftige Flut an Insolvenzverfahren zu verhindern, wurden nun die Bestimmungen über die Insolvenzantragspflicht des Schuldners gelockert. Vor diesen neuen Bestimmungen war der organschaftliche Vertreter (zB Geschäftsführer) verpflichtet, bereits im Falle einer Überschuldung – also nicht erst bei Zahlungsunfähigkeit – einen Insolvenzantrag zu stellen. Wenn er dies unterlassen hat, drohte ihm eine persönliche Haftung gegenüber den Insolvenzgläubigern. Diese persönliche Geschäftsführerhaftung ist nun erheblich eingeschränkt worden.
Keine Insolvenzantragspflicht bei bloßer Überschuldung
Die Überschuldung als Insolvenzgrund gilt nur für juristische Personen (zB GmbH), eingetragene Personengesellschaften, bei denen kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (zB GmbH & Co KG) und bei Verlassenschaften. Eine Überschuldung im Sinne der Insolvenzordnung liegt dann vor, wenn das Vermögen des Unternehmens nicht ausreicht, um offene Verbindlichkeiten zu decken (= rechnerische Überschuldung) und gleichzeitig auch unter Berücksichtigung von möglichen Sanierungsmaßnahmen die Wahrscheinlichkeit der Rettung eines Unternehmens nicht gegeben ist (= negative Fortbestehungsprognose). Kurz und vereinfacht gesagt: Das Unternehmen weist bereits jetzt ein negatives Eigenkapital aus und eine zukünftige Zahlungsunfähigkeit ist wahrscheinlich.
Gerät ein Unternehmen aufgrund der derzeitigen COVID-19-Pandemie in eine wirtschaftliche Krise, sieht das 4. COVID-19-Gesetz (BGBl I Nr 24/2020) eine Erleichterung insoweit vor, dass noch kein Insolvenzantrag vom Schuldner gestellt werden muss, wenn die Überschuldung im Zeitraum vom 01.03. bis 30.06.2020 eingetreten ist. Ein Insolvenzverfahren wird in diesem Zeitraum auch nicht auf Antrag eines Gläubigers eröffnet.
Hierbei darf allerdings nicht übersehen werden, dass es zu dieser Überschuldung tatsächlich erst im angeführten Zeitraum gekommen sein darf. Stand ein Unternehmen schon vor dem 01.03.2020 auf wackeligen Beinen, kann diese Gesetzesänderung nicht zu einem Hinauszögern einer Insolvenz führen. Unternehmen mit wirtschaftlichen „Vorerkrankungen“ werden daher nicht geschützt.
Liegt die Überschuldung nach dem 30.06.2020 immer noch vor, so ist – wie bisher – „ohne schuldhaftes Verzögern“, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (spätestens innerhalb von 60 Tagen nach dem 30.04.2020 oder 120 Tage nach Eintritt der Überschuldung – je nachdem welcher Zeitraum später endet).
Diese Lockerung der Insolvenzantragspflicht des Schuldners gilt verständlicherweise nicht, wenn bereits Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist.