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Covid-19-Unternehmen

 

Unternehmen (Update Covid-19)

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Halten die punktuellen Betriebsschließungen dem Verfassungsrecht stand?

 

Nachdem die erste Schockwelle der Pandemie überstanden und die Gesetzes- und Verordnungsflut verdaut ist, setzt nun das große Nachdenken ein:

  • War die Notgesetzgebung vom Verfassungsrecht gedeckt?

  • Wo sind die Grenzen beim Eingriff in die Grundrechte?

Mit den COVID-19-Maßnahmengesetzen und Verordnungen wurde in unzählige
(Grund-)Rechtsbereiche eingegriffen. Angefangen vom Eingriff in die persönliche Freiheit durch die allgemeinen Ausgangsbeschränkungen der gesamten Bevölkerung bis zum Eingriff in die Erwerbsfreiheit der Unternehmer durch verordnete Betriebsschließungen. Bei Letzteren hat man sich nicht nur die Frage zu stellen, ob die Maßnahmen verhältnismäßig waren, sondern auch, ob der Gesetzgeber bei der Erlassung von Gesetzen das Prinzip der Gleichbehandlung aller Staatsbürger (und somit auch aller Unternehmer) beachtet hat.

Die unterschiedlichen Ausprägungen des Betretungsverbotes von Kundenbereichen im Einzelhandel und Dienstleistungsbereich laden dazu ein, eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zu erkennen. Dabei ist der Gesetzgeber bei der Erlassung von Gesetzen und Verordnungen an eine ganz einfache Regel gebunden: Gleiches darf nicht ungleich behandelt und Ungleiches nicht gleich behandelt werden. Anderes darf er nur dann regeln, wenn es eine sachliche Rechtfertigung für eine Differenzierung gibt.

Der Gesetzgeber hat nach Auftreten der ersten Infektionen des Coronavirus ein generelles Betretungsverbot von Kundenbereichen des Einzelhandels, des Dienstleistungsbereichs und von Sportstätten verordnet (Verordnung seit 16.03.2020 in Kraft; BGBl II 96/2020). Ausgenommen wurden sogenannte „systemrelevante“ Bereiche, wie zB der Lebensmittelhandel, Apotheken usw. Bereits zum damaligen Zeitpunkt stellte sich der Fachhandel (zB Elektrohandel aber auch Möbelhäuser sowie Bau- und Gartenmärkte) zu Recht die Frage, welche sachliche Rechtfertigung es für den weiterhin zulässigen Verkauf von Non-Food-Produkten im Lebensmittelhandel gab. Der Lebensmittelhandel war nämlich nicht ausschließlich auf den Verkauf von Lebensmitteln beschränkt, sondern konnte weiterhin sein gesamtes Sortiment – angefangen von Fernsehern, Gartenmöbel etc – verkaufen.

Auch die ersten Lockerungen nach den Osterfeiertagen brachten in Sachen „Gleichbehandlung“ im Einzelhandel kaum erfreuliche Neuerungen. Für den gesamten Einzelhandel wurde verordnet, dass sie die Türen wieder öffnen dürfen, vorausgesetzt der Kundenbereich im Inneren beträgt maximal 400m² (Verordnung seit 14.04.2020 in Kraft; BGBl II 151/2020). Zusätzlich gilt eine Kundenbeschränkung, wonach pro Kunde mindestens 20m² Fläche zur Verfügung stehen müssen; praktisch dürfen sohin maximal 20 Kunden bei 400m² eintreten. Einzelhandelsflächen über 400m² dürfen aber gar nicht geöffnet werden, obwohl hier den Kunden mehr Fläche zur Verfügung stehen würde. Um eine noch längere Schließung zu vermeiden, könnte nun die Idee einer „Verkleinerung“ von Verkaufsflächen auf (vorübergehend) 400m² aufkommen. Diesem Gedanken hat der Gesetzgeber aber bereits einen Riegel vorgeschoben, indem er vermeintlich vorgesehen hat, dass eine Verkleinerung der Verkaufsfläche nach dem 07.04.2020 nichts an der Schließung ändert. Bei der Formulierung dieser Bestimmung wurden allerdings wieder neue Tore für spitzfindige Unternehmer geöffnet. Die Bestimmung lautet nämlich wie folgt: „Veränderungen der Größe des Kundenbereichs, die nach dem 7. April 2020 vorgenommen wurden, haben bei der Ermittlung der Größe des Kundenbereichs außer Betracht zu bleiben.“ Es wird also ganz allgemein auf eine „Veränderung der Größe“ des Kundenbereiches (Verkleinerung aber auch Vergrößerung!) nach dem Stichtag abgestellt. Nimmt man den Gesetzgeber beim Wort dürfte ein Unternehmen, das am 07.04.2020 einen Kundenbereich von 400m² hatte, diesen nun auch vergrößern und dennoch aufsperren.

Unabhängig vom Ausmaß der Verkaufsfläche dürfen Bau- und Gartenmärkte hingegen jedenfalls alle Geschäfte öffnen. Wie der Gesetzgeber die Ungleichbehandlung der einzelnen Handelssparten (Möbelhandel vs Bau- und Gartenmärkte) rechtfertigt, bleibt unklar. Eines ist dabei vage zu erkennen, die Bau- und Gartenmärkte haben bei den staatlichen Entscheidungsträgern offenkundig eine bessere Lobby als der restliche Fachhandel.

Die Rechtslage kann angesichts dieser Beispiele mit gutem Gewissen als flickenteppichartig mit ordentlich Potential zur Willkür angesehen werden. Unter diesen Voraussetzungen schlägt die Stunde der Risikofreudigen, die mögliche Chancen nutzen und damit letztlich gewinnen oder verlieren. Jene Unternehmen, die auf solides Wachstum setzen und keine Spielernatur sind, bleibt der Rechtsweg und die Hoffnung, dass der Verfassungsgerichtshof die Gesetzes-/Verordnungsprüfung zu ihren Gunsten auslegt. Aber Vorsicht: Nur der Antragsteller genießt im Verordnungsprüfungsverfahren für seinen „Anlassfall“ einen Vorteil, wenn das angefochtene Gesetz oder die angefochtene Verordnung tatsächlich aufgehoben wird. Dh für den erfolgreichen Antragsteller gilt diese rechtswidrige Bestimmung nicht, alle anderen Normunterworfenen haben sich quasi mit ihrem Schicksal abgefunden. Im Ausnahmefall kann der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis aussprechen, dass die Rechtswidrigkeit auch sonst niemanden belasten soll. Darauf besteht aber kein Rechtsanspruch. Die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Normprüfungsverfahren werden quartalsweise veröffentlicht. Die letzte Übersicht stammt vom Stichtag 08.01.2020, weshalb keine gesicherte Anzahl der aktuellen COVID-19 Anträge vorliegt. Sicher ist lediglich, dass aufgrund der Chance für sich einen Anlassfall zu erwirken, viele Unternehmen bereits diesen Weg eingeschlagen haben. Wer seine eigene Rechtsposition sichern will, sollte sich diesem Reigen daher zeitnah anschließen.