Doch Interpretationen sind flexibel ...
derPlan 01/2015, Seite 13 - ArchIng
OIB-Richtlinien: Eine längst überfällige Harmonisierungschance?
Aufgrund der Generalklausel der österreichischen Bundesverfassung
(Art 15 Abs 1 B-VG) verbleibt eine Angelegenheit, soweit sie nicht ausdrücklich der Gesetzgebung oder Vollziehung des Bundes übertragen ist, im selbständigen Wirkungsbereich der Länder. Demzufolge obliegen bautechnische Vorschriften dem jeweiligen Bundesland und finden sich in Österreich neun – mehr oder weniger voneinander abweichende – (Landes-)Bauordnungen. Dies führt mitunter auch dazu, dass die Bauindustrie ihre Produkte den verschiedenen Vorschriften anpassen müsste. Denkbar ungünstiger können sich diese regionalen Unterschiede auf die Planungsphase auswirken; was in Niederösterreich "planungstechnisch" zulässig ist, wäre im unmittelbar angrenzenden Wien undenkbar; eine schlüssige Erklärung für den Bauwerber fehlt.
Die Gesetzgebung hat dieses Problem recht früh erkannt und entsprechende Harmonisierungsschritte gesetzt (Musterbauordnung des Österreichischen Städtebundes aus dem Jahr 1948). Eine Umsetzung erfolgte jedoch nicht. Ob dieses oftmalige Scheitern der Harmonisierungsprojekte tatsächlich auf die komplexe Rechtsmaterie zurückzuführen ist oder ob sich die Bundesländer in dieser wichtigen Kompetenz nicht beschneiden lassen wollen, sei dahingestellt.
Die nunmehr (bundesweit) geltenden OIB-Richtlinien stellen im Bereich der bautechnischen Vorschriften den sogenannten kleinsten gemeinsamen Nenner dar. Ein Projekt, das den OIB-Richtlinien entspricht, wäre daher grundsätzlich in ganz Österreich genehmigungsfähig, sofern die Richtlinien überall gleich interpretiert werden, aber das ist eine andere Geschichte.