Juryentscheidung – niemand haftet?
derPlan 01/2015, Seite 12 - ArchIng
Was tun, wenn sich die Jury nicht an die Vorgaben der Auslobung hält und der unglückliche Wettbewerbsteilnehmer daher keinen Preis erhält?
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
Im Zuge von Wettbewerben werden zumeist die (drei) erstgereihten Beiträge mit einem Preisgeld gewürdigt (§ 9 WOA 2010). Dieses deckt zwar selten den echten Aufwand, ist aber dennoch eine gern gesehene finanzielle Anerkennung. Um in den Genuss des Preisgeldes zu kommen, muss der Wettbewerbsbeitrag von einer fachkundig besetzten Jury anhand der festgelegten Auslobungsbedingungen und der Beurteilungskriterien als Preisträger gekürt werden.
So weit, so gut – was geschieht jedoch, wenn die Jury von den Auslobungsbedingungen abweicht oder die Beurteilungskriterien "anders" anwendet? Gerade die Auslobungsbedingungen, wie zB die Vorgabe bestehender Grundgrenzen, zulässige Gebäudehöhen bzw Bauklassen, werden oftmals zugunsten einer innovativen Idee eines Wettbewerbsbeitrags außer Acht gelassen. Die Verfasser von Wettbewerbsbeiträgen, die sich an die vereinbarten Spielregeln gehalten haben, müssen einsehen: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt – zu Recht?
Kann der Rechtsweg beschritten werden?
Zunächst stellt sich die Frage, ob ein zu Unrecht unterlegener Wettbewerbsteilnehmer den Rechtsweg überhaupt beschreiten kann (abgesehen von der Hauptfrage, ob dies wirtschaftlich Sinn macht). Dabei ist festzuhalten, dass ein Wettbewerb aus zivilrechtlicher Sicht eine Auslobung iSd § 860 ABGB ist. Überdies wird im Zuge von Planungswettbewerben regelmäßig die umfassendere Wettbewerbsordnung Architektur (WOA 2010) vereinbart. Sowohl das ABGB als auch die WOA sehen auf den ersten Blick die Möglichkeit eines "Ausschlusses des Rechtsweges" vor.
Ähnlich wie bei Preisausschreiben kann auch bei der Auslobung iSd § 860 ABGB ein Ausschluss des Rechtsweges erklärt werden. Die individuellere Wettbewerbsordnung Architektur sieht sogar standardmäßig vor, dass die Jury "in allen Fach- und Ermessensfragen [...] der zu prämierenden Wettbewerbsarbeiten und der Nachrücker unabhängig und endgültig" entscheidet (§ 3 Abs 4 WOA 2010). Diese Bestimmung kommt ebenso einem Ausschluss des Rechtsweges sehr nahe und wird in den meisten Fällen vom Auslober als Freibrief verstanden.
Glücklicherweise ist es egal, ob der Ausschluss des Rechtsweges ausdrücklich erklärt worden ist oder allgemein wegen der (vermeintlichen) Endgültigkeit der Juryentscheidung von vornherein gegeben ist. Es besteht durchaus – bei grober Willkür – die Möglichkeit, die Juryentscheidung vor Gericht zu bekämfpen (Rummel in Rummel, ABGB³, § 860 ABGB, Rz 10; RdW 1992, 236). Trotz aller positiven Stimmung ist festzuhalten, dass die Fehlentscheidung damit zwar aus der Welt geschafft werden kann, aber danach eine "bessere" Entscheidung folgen muss. Angesichts eines langwierigen Zivilprozesses kann der Anspruch auf Anonymität bei der Beurteilung von Wettbewerbsarbeiten wohl nicht mehr (einfach) erfüllt werden.
Haftet der Auslober für seine Jury?
Geht man von einer Fehlentscheidung der Jury aus, so scheint es auf den ersten Blick plausibel, dass der übervorteilte Wettbewerbsteilnehmer vom Auslober zumindest das ihm zustehende Preisgeld einfordert, da die (vom Auslober eingesetzte) Jury willkürlich bzw entgegen den Auslobungsbedingungen entschieden hat. Unter rechtlichen Gesichtspunkten ist dies bedauerlicherweise nicht immer zutreffend, wie die Erfahrung gezeigt hat:
Ein Wettbewerbsteilnehmer hat die Zahlung eines Anerkennungspreises vom Auslober verlangt, ohne dabei konkret zu beweisen, dass dem Auslober beim Ausscheiden seiner Wettbewerbsarbeit oder beim Vorgehen der Jury ein rechtswidriges Verhalten anzulasten gewesen wäre. Vielmehr hat der Kläger die Jury als Erfüllungsgehilfen des Auslobers betrachtet. Die Haftung des Auslobers für einen Erfüllungsgehilfen iSd § 1313a ABGB setzt aber voraus, dass der Auslober dem vermeintlichen Erfüllungsgehilfen (= den Jurymitgliedern) Weisungen erteilen kann. Da der Kläger seinen Anspruch auf eine Fehlentscheidung einer unabhängigen Jury begründet hat und diese eben nicht Erfüllungsgehilfe der beklagten Partei (Auslober) sein kann, ist das Klagebegehren abgewiesen worden.
Tatsächlich ist die Jury in ihrer Entscheidung – zumindest im Falle eines "üblichen" Wettbewerbs – stets unabhängig (§ 3 Abs 4 WOA 2010). Oftmals legt der Auslober das Schicksal des Wettbewerbs gar in unbekannte Hände, indem er es akzeptiert, dass ein Teil der Jury von unabhängiger, fachkundiger Seite bestellt wird (zB öffentliche Stellen, Nominierung von "Kammerjuroren").
Der Auslober haftet daher nicht für eine Fehlentscheidung einer unabhängigen Jury. Der klagende Wettbewerbsteilnehmer hätte daher korrekterweise die Jury in die Verantwortung ziehen müssen. Ob dies letztlich zum Erfolg führt, ist fraglich bzw derzeit noch nicht ausjudiziert, und die sich daraus ergebenden Problemstellungen sind noch vielfältiger (muss ein Schlichtungsverfahren gemäß
§ 16 Abs 1 ZTKG gegen die Fachjuroren einer allfälligen Klage vorgelagert werden? Bildet die Jury gar eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und haftet daher jedes Jurymitglied zur ungeteilten Hand? ...).
Im Ergebnis haftet der Auslober also nicht für die (Fehl-)Entscheidung "seiner" Jury, sofern er darlegen kann, dass diese ihre Entscheidung unabhängig – ohne Einflussnahme des Auslobers – getroffen hat. Am besten wird dieser Nachweis gelingen, wenn der Auslober
die Bestimmungen der WOA (insbesondere § 3 Abs 4 WOA 2010) in seine Auslobungsunterlage integriert und
zumindest einen Teil der Fachjuroren von unabhängiger Seite beistellen lässt.
Der Auslober kann unter diesen Bedingungen sorgenfrei das Ergebnis der Juryentscheidung übernehmen bzw den Empfehlungen der Jury folgen, eine allfällige Fehlentscheidung kann ihm – zum Nachteil des unglücklichen Wettbewerbsteilnehmers – nicht angelastet werden.