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Kein rechtliches Interesse von Planern bei einem Totalunternehmerverfahren

 

VwG Wien 23.4.2024, VGW-123/095/16230/2023 in ZVB, Zeitschrift für Vergaberecht und Bauvertragsrecht (MANZ'sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH)

Sachverhalt

Die AG schrieb die Vergabe eines Totalunternehmerverfahrens für das wandelbare Dach des Ernst Happel Stadions aus (offenes Verfahren im Oberschwellenbereich). Die Bekanntmachung wurde am 7.12.2023 versendet und am 8.12.2023 (Feiertag) veröffentlicht. Die (ursprünglich angesetzte) Angebotsfrist endete am 9.1.2024 und wurde nach Beendigung des Nachprüfungsverfahrens auf den 26.2.2024 verlängert.

Eine aus Ziviltechniker:innen bestehende Bietergemeinschaft hat einen Antrag auf Nachprüfung der Ausschreibungsunterlagen eingebracht. Die Bietergemeinschaft bekämpfte ua die Beschränkung der Anzahl von Mitgliedern einer Bietergemeinschaft auf drei Mitglieder, fehlende (notwendige) Kalkulationsgrundlagen und unsachliche Zuschlagskriterien.

Das VwG Wien wies den Antrag noch während der mündlichen Verhandlung aufgrund mangelnder Antragslegitimation zurück und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die ASt "als aus Architekten bestehende Bietergemeinschaft" - trotz der Möglichkeit, sich mit einem einschlägigen Stahlunternehmen zu verstärken - nicht in der Lage sei, die Eignung vor Ende der Angebotsfrist zu erbringen. Darüber hinaus sei ihr die Antragslegitimation abzusprechen, da die Mitglieder der Bietergemeinschaft - wohlgemerkt ehrenamtliche - Funktionen in der Kammer der Ziviltechniker:innen für Wien, Niederösterreich und Burgenland ausüben.

Gegen die Entscheidung wurde eine aoRev an den VwGH erhoben.

Glosse

Die Ausschreibungsunterlagen für die Vergabe des Totalunternehmers für das wandelbare Dach des Ernst Happel Stadions sahen eine unterschiedliche Bepunktung für die Entfernung zwischen der Baustelle in Wien zum Vorfertigungsstandort der Stahlelemente bzw dem Produktionsstandort des faltbaren Membrans vor. Die ASt bekämpfte unter anderem diese unsachliche geografische Benachteiligung mit einem Nachprüfungsantrag vor dem VwG Wien.

Das VwG Wien sprach der ASt die Antragslegitimation ab und wies den Nachprüfungsantrag noch in der mündlichen Verhandlung zurück. Im Wesentlichen wurde dies damit begründet, dass die ASt die ausgeschriebene Leistung (in ihrer Gesamtheit als Totalunternehmerauftrag) selbst nicht erbringen könne und keine Kooperationsbemühungen plausibilisiert habe, weshalb ihr sohin kein Schaden entstehen oder drohen könnte. Dem Gericht wurde von der ASt dargelegt, dass es ein erstes Telefonat mit einem konkret genannten auf Stahl- und Membranbau spezialisierten ausländischen Unternehmen gegeben hat, mit welchem sich die ASt für das Vergabeverfahren hätte verstärken wollen. Weiters wurden auch öffentlich einsehbare Referenzen (unter anderem im Sporthallenbau) vorgelegt. Aufgrund der in den Zuschlagskriterien vorgegebenen Entfernungen zwischen Baustelle und Produktionsstandorten wurden weitere Gespräche bis zu einer inhaltlichen Entscheidung im Nachprüfungsverfahren aufgeschoben, da mangels Nichtigerklärung dieser unsachlichen geografischen Benachteiligung gemeinsam mit dem in Aussicht genommenen ausländischen Unternehmen kein für die Zuschlagserteilung chancenreiches Angebot gelegt werden konnte. Das VwG sah die Nachweise im Rahmen der Beweiswürdigung als unplausibel an und verwehrte der ASt eine inhaltliche Entscheidung.

Die Plausibilitätsprüfung von Kooperationsbemühungen auf das Vorhandensein einer schriftlich dokumentierten Kommunikation mit einem eignungsrelevanten Subunternehmen abzustellen, ist uE überschießend. Nach dem Rechtsstandpunkt des VwG Wien wäre die ASt gezwungen gewesen, mit dem in Aussicht genommenen ausländischen Stahlbauunternehmen umfassende Eignungsnachweise zu erarbeiten, obwohl eine Verfahrensbeteiligung faktisch bzw zumindest wirtschaftlich unmöglich gewesen wäre. Es ist zu beachten, dass in der zivilrechtlichen Beziehung zwischen den Kooperationspartnern (Bieter und seine Subunternehmer/ARGE-Partner) das Prinzip der Vertragsfreiheit gilt. Jegliche schriftliche, mündliche oder konkludente Vereinbarung - sei es auch nur die Vereinbarung, nach Beseitigung der benachteiligenden Ausschreibungsbestimmungen eine Kooperation einzugehen - muss daher uE als ernsthaftes Bemühen zur Darlegung des Interesses am Vertragsabschluss iSd § 18 Abs 1 WVRG ausreichen. Eine Plausibilitätsprüfung darf nicht das Ausmaß einer vorgezogenen Eignungsprüfung annehmen. Dies auch dann nicht, wenn es sich bei Mitgliedern der ASt um Personen handelt, die - wohlgemerkt bloß ehrenamtliche - Funktionen ihrer gesetzlichen Berufsvertretung innehaben; anderenfalls dies de facto zu einer unsachlichen und nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung kommt.

Zudem hat das VwG Wien die verbleibende Angebotsfrist als zu kurz angesehen, um sich mit geeigneten Unternehmen verstärken zu können. Tatsächlich war jedoch nach dem Zurückweisungsbeschluss noch knapp ein Drittel der Angebotsfrist offen. Daraus lässt sich ableiten, dass mit einem Antrag auf Nachprüfung der Ausschreibungsbestimmungen zukünftig nicht mehr bis zum gesetzlich letztmöglichen Zeitpunkt zugewartet werden sollte. Die ansonsten üblichen Anregungen um Berichtigung etwaiger unzulässiger Ausschreibungsbestimmungen erscheinen daher nicht mehr zielführend bzw gar kontraproduktiv, zumal die Bearbeitung von Berichtigungsersuchen erfahrungsgemäß einige Zeit in Anspruch nimmt. Eine nachteilige und potenziell rechtswidrige Ausschreibungsbestimmung sollte daher alsbald gerichtlich geltend gemacht werden.

Gegen den Beschluss des VwG Wien ist von der ASt zwischenzeitig die (außerordentliche) Revision an den VwGH erhoben worden.

 
Sandro Huber